Koordinative Physiotherapie
Menschen, die an einer Ataxie leiden, haben eine Störung der Bewegungskoordination und des Gleichgewichts. Als Folge sind verschiedene Aktivitäten des täglichen Lebens und die Teilhabe am sozialen Leben beeinträchtigt. Dabei stellen Angst und Unsicherheit, die Stigmatisierung durch Ähnlichkeit der Bewegungsabläufe wie unter Alkohol-Einfluss und die Verletzungsgefahr durch Stürze einen wesentlichen Faktor dar.
Eine Ataxie ist zu Beginn der Erkrankung mit fahrigen Bewegungen verbunden. Patienten neigen dazu die unkontrollierten Bewegungen zu vermeiden, halten sich steif und hören oft ganz auf koordinativ schwierige Bewegungsabläufe durchzuführen. In der Folge wird die Bewegungsfähigkeit auf einfache Bewegungen mit geringer Varianz eingeschränkt und der Verlust an Bewegungskontrolle nimmt über das durch die Krankheit selbst verursachte Maß zu. Beim Gehen fehlen die Gleichgewichtsreaktionen und die Sturzgefahr nimmt zu. Essen und Trinken können zur Last werden.
Zur Steigerung der Bewegungskontrolle muss zunächst die steife Körperhaltung aufgegeben und unkontrollierte Bewegungen zugelassen werden. Wenn Sie also nach den Übungen zunächst mehr fahrige Bewegungen machen und beim Gehen wieder in Schlangenlinien gehen, so ist dies ein gutes Zeichen. Sie können dann mehr zielgerichtete Aktivitäten aufnehmen und bei Gleichgewichtsverlust flexibel reagieren. Nach einigem Training werden Sie die Bewegungen wieder zunehmend kontrollieren.
Die hier vorgeschlagenen Übungen haben das Ziel die Balance und die Koordinationsfähigkeit zu verbessern. Steifheit und Angst werden verringert. Die Beweglichkeit der Gelenke und die alltagsrelevante Kraft werden im Rahmen der koordinativen Übungen gefördert. Zusätzliche Dehn- oder Kraftübungen sind entbehrlich. Bewegen Sie sich vielseitig und flüssig. Ändern Sie Ihr Bewegungsverhalten und übernehmen die neu erlernten Fähigkeiten in Ihren Alltag.
Der erste Schritt zum Erfolg ist ein Ziel!
Legen Sie ein bis drei realistische Ziele fest, die Sie in den nächsten vier Wochen erreichen möchten. Welche alltägliche Bewegung möchten Sie besser kontrollieren? Wie machen Sie diese Bewegung derzeit? Schreiben Sie die Antworten auf. Stellen Sie sich Ihren Übungsplan zusammen. Üben Sie jeden Tag zweimal für etwa 30 Minuten. Legen Sie Zeiten fest, zu denen Sie üben, dann müssen Sie nicht täglich Ihren Schweinehund überwinden. Notieren Sie Ihre Fortschritte.
Doris Brötz
Physiotherapeutin
Hier gelangen Sie zur Webseite von Frau Brötz.
Übungen:
Folgende Beispielübungen sollten individuell auf den momentanen Erkrankungsstand abgestimmt werden. Manche Übungen werden Sie zunächst nur mit einer Physiotherapeutin gefahrlos durchführen können. Welche Übungen für Sie speziell besonders wichtig sind, wird durch Ihre Ziele und Ihre momentane Bewegungskontrolle bestimmt.
Armbewegungen in Rückenlage
Legen Sie sich auf den Rücken
Legen Sie die Arme neben den Körper, die Hände zeigen zum Fußende
Beugen Sie die Ellenbogen und heben gleichzeitig die Arme Richtung Kopfende an
Hände weit zum Kopfende nach oben schieben, dabei strecken Sie die Ellenbogengelenke
Arme wieder nach unten bewegen, dabei die Ellenbogen wieder beugen
10 Mal wiederholen
Drehung der Wirbelsäule
Legen Sie sich auf denRücken
Stellen Sie beide Beine auf
Legen Sie die Arme abgespreizt auf den Boden
Bewegen Sie jetzt beide Knie zu einer Seite
Zur Mitte zurück bewegen
In die andere Richtung genauso verfahren
5 Mal zu jeder Seite wiederholen
Sitzen Sie aufrecht
Schieben Sie ihren Oberkörper zur rechten Seite
Gehen Sie zurück zur Mitte
5 Mal wiederholen
Zur anderen Seite ebenso verfahren
Steigerung
Heben Sie einen Fuß auf das Bett und wieder zurück auf den Boden
Heben Sie beide Füße auf einer Seite auf das Bett und wieder zurück auf den Boden
Mehr Übungsbeispiele finden Sie in der folgenden Broschüre.
Die DHAG e. V. freut sich sehr, Ihnen die Neuauflage der Broschüre: "Physiotherapie für Menschen mit Ataxie-Erkrankungen" vorzustellen.
Die Arbeit von Herrn Dr. Ulrich Jobst und Frau Doris Brötz, welche die einzelnen Therapien beschreibt, gibt sowohl Menschen mit Ataxie und Ärzten als auch Therapeuten einen Einblick in Theorie und Praxis.
Fragen zu dem «Warum?», «Was?» und «Wie?» werden erläutert und zeigen,
welche Therapien Menschen mit dem Symptom Ataxie verordnet werden können,
was man als betroffene Person selbst beachten sollte.
Es sind viele neue Erkenntnisse mit eingeflossen, die auch durch Studien belegt wurden. Dennoch wollen wir Altbewährtes mit in diese Broschüre einfließen lassen.
Die Methoden, die hier vorgestellt werden, wurden nicht alle für Menschen mit Ataxie entwickelt, dennoch finden sie Anwendung. Zwar gibt es keine Erkenntnisse hierzu, weder im negativen noch im positiven Sinne, deshalb möchten wir diese Therapieansätze auch in dieser Neuauflage beibehalten.
Wir werden uns bemühen, die Aktualität verschiedener Therapiemaßnahmen in Berichten unserer Vereinszeitschrift «Herax-Fundus» und auf unserer Internetseite darzustellen.
Über Anregungen, welche die Arbeit der Deutschen Heredo-Ataxie-Gesellschaft noch spezieller auf die Belange Ataxie-betroffener Menschen eingehen lässt, freuen wir uns sehr. Die DHAG hofft, mit der Neuauflage sowohl Denkanstöße als auch Ideen zur praktischen Umsetzung zu liefern.
Nun wünsche ich viel Spaß beim Lesen und Erfolg beim Umsetzen.
Ihre Marina Stüber
Tipp für Therapeuten:
„Übungen in der Neurorehabilitation“
mit Hintergrundinformationen über motorisches Lernen, Neuroplastizität und mit vielen Übungsbeispielen für verschiedene Krankheitsbilder.