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Organspende von Menschen mit einer Heredo-Ataxie?

Organspende, Lebendspende, Gewebespende, Organspenderausweis sind nur einige Schlagworte, die in den letzten Monaten durch die Medien gingen und sicherlich zum Nachdenken oder bei dem Einen oder Anderen auch für einen bitteren Nachgeschmack gesorgt haben.

 

Organspende ist nach wie vor ein heikles Thema, bedeutet es doch vielleicht schon zu Lebzeiten auf ein lebenswichtiges Organ, wie z. B. eine Niere, zu verzichten oder seinen noch nicht erkalteten Leichnam auseinandernehmen zu lassen; schlimme Worte wie „ausschlachten“, „auswaiden“ oder „zerstückeln“ und „schänden“ kommen einem da in den Sinn.

 

Und nicht zuletzt ist es auch das Wissen um die eigene Endlichkeit und den eigenen Tod, setzt man sich mit diesem Thema auseinander. Auf der anderen Seite sind wir uns bewusst, dass mit unseren Organen und Geweben Leben zu retten ist.

 

Wer einmal z. B. während einer Operation oder nach einem schweren Unfall eine Bluttransfusion bekommen hat, wird sich sicherlich gefragt haben, wem darf ich danken, dass er oder sie sein oder ihr Blut(-gewebe) für mich gespendet hat, damit ich weiterleben kann. Denken wir auch an die vielen freiwilligen Knochenmarkspender, die Erwachsenen und vor allem Kindern mit einer Leukämie das Leben retten. Leben retten, dem anderen etwas Gutes tun, ihm zur Heilung, zur Genesung oder zur Verbesserung der Lebensqualität zu verhelfen, ist eine zutiefst humanistische Tat, die in unsrer Gesellschaft nicht hoch genug anerkannt werden kann.

 

Doch wie geht es logistisch mit der Organ- und Gewebespende vonstatten?

Was ist alles zu beachten und vor allem, bin ich als Mensch mit einer genetischen Variante oder Veränderung (Mutation), die zu einer (noch) unheilbaren Krankheit wie einer Heredoataxie führt, überhaupt als Spender geeignet?

 

Die ersten Fragen werden sehr ausführlich von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Internet unter www.organspende-info.de beantwortet bzw. in einem Informationsblatt abgehandelt.

 

Die letzte Frage ist häufiger aus den Reihen der Mitglieder und auch des Vorstandes der DHAG an mich herangetragen wurden, da doch einige Unsicherheiten bezüglich der Organspende bei nachgewiesenen Genmutation bestehen. Ich habe diese Frage an die BZgA weitergeleitet und von dort auch die Antwort bekommen, die ich auf ähnliche Fragen schon vor vielen Jahren gegeben habe.

 

Grundsätzlich ist davon auszugehen, auch bekannt und nachgewiesen, dass jeder Mensch krankheitsverursachende Genveränderungen (pathogene Mutationen) in sich trägt. Diese liegen meist in versteckter Form (rezessiv) vor und treten im Laufe des Lebens nicht in Erscheinung, sind jedoch da und können, wenn ein Kind von beiden Elternteilen solch eine pathogene Mutation vererbt bekommt, zu einer autosomal-rezessiven Krankheit, wie z. B. der Friedreich-Krankheit, ARSACS, AOA1 oder AOA2 führen.

 

Bei einer autosomal-dominanten Krankheit, wie z. B. der großen Anzahl der spinozerebellären Ataxien (SCA), die meist erst im Erwachsenenalter auftreten, reicht nur eine pathogene Mutation aus. Nun sind Blutspenden und -transfusionen seit Jahrzehnten gang und gäbe und nie ist etwas berichtet worden, dass nach einer Blutübertragung eine Heredoataxie aufgetreten ist.

 

Dies ist nach dem medizinischen Wissensstand auch gar nicht möglich: Zum Einen enthält ein Teil der bei der Bluttransfusion übertragenen Zellen, nämlich die roten Blutkörperchen (Erythrozyten), gar keine Erbinformation, da sie keinen Zellkern (mehr) besitzen und eine mittlere Lebenszeit von 120 Tagen haben.

 

Der andere Teil, die weißen Blutkörperchen (Leukozyten), enthalten in ihrem Zellkern zwar die Erbinformation, jedoch werden die für eine Ataxie, die im Zentralen Nervensystem (ZNS) entsteht, verantwortlichen Gene in der Regel im Blut nicht exprimiert. Somit kann durch eine Bluttransfusion keine Ataxie-Krankheit übertragen werden.

 

Bei der Organspende ist es ähnlich. Hier werden auch nur die Organe transplantiert, die in einem guten Gesundheitszustand sind. Die Transplantation von Geweben des ZNS (Hirn- oder Rückenmark) ist nicht die Regel.

 

Die Organtransplantation setzt den Hirntod voraus; das Gehirn, einschließlich des Kleinhirns, ist also bereits in seiner Funktion sehr stark beeinträchtigt und steht damit für eine Spende nicht zur Verfügung. Die anderen Organe (Nieren, Leber, Herz u. a.) sind bei den meisten Ataxie-Krankheiten nicht beeinträchtigt; jedoch ist bei der Friedreich-Krankheit an die Vergrößerung des Herzmuskels (Kardiomyopathie) zu denken, was die Herzspende eines Friedreich-Kranken verständlicherweise einschränkt.

 

Wichtig für die potenziellen Spender ist jedoch, dass die Grundkrankheiten, also auch die Heredoataxie, im Spenderausweis vermerkt werden. Eine weitere gesundheitliche Befragung oder Untersuchung erfolgt nicht. Somit kommt also jeder Mensch als (potentieller) Organspender in Frage.

 

So hat auch die BZfGA geantwortet: „Eine Organentnahme ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn bei der oder dem Verstorbenen eine akute Krebserkrankung oder ein positiver HIV-Befund vorliegt. Bei allen anderen Erkrankungen entscheiden die Ärzte nach den erhobenen Befunden, ob eine Organ- oder Gewebespende infrage kommt.“

 

Fazit: Auch Menschen mit pathogenen Mutationen in ihren Genen (und wer hat diese nicht), mit der Anlage für eine Heredoataxie oder manifest erkrankte Ataktiker können sich durchaus als Organspender registrieren lassen und einen Organspenderausweis beantragen.

 

Ob die Organspende dann tatsächlich durchgeführt wird, entscheiden nach dem jeweiligen Gesundheitszustand der zu spendenden Organe die Transplantationsärzte. In dem Feld „Platz für Anmerkungen / Besondere Hinweise“ des Organspenderausweises sollte auf die Ataxie-Krankheit hingewiesen werden.

 

Dr. med. Friedmar R. Kreuz

Sprecher des Medizinischen Beirates

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