Der autosomal-dominante Erbgang

Hierbei handelt es sich um einen Erbgang, der aufgrund der Lokalisation der Gene auf einem Paar Autosomen unabhängig vom Geschlecht auftritt; es spielt also keine Rolle, ob es sich um eine weibliche oder männliche Person handelt. Nichts anderes besagt das Wort „autosomal“.

 

Von den beiden Genen auf einem Paar von Autosomen spielt, sofern sie durch eine genetische Veränderung (Mutation) nicht mehr identisch sind (man spricht jetzt von Allelen), meist das eine die entscheidende Rolle: Es dominiert (dominare: lat. = herrschen über, gebieten, befehlen); das andere Allel hingegen wird überspielt, überdeckt von dem dominierenden Allel: Es ist rezessiv (recedere: lat. = zurückweichen, entschwinden).

 

Liegt Heterozygotie der Gene (Mischerbigkeit bei nicht identischen Allelen) vor und ist das mutierte Allel dominant gegenüber dem Normalallel (dieses ist dann rezessiv), wird sich das dominante Allel in seiner Wirkung ausprägen: Es kommt zum (gestörten) Aufbau eines Proteins, das in seiner Funktion eingeschränkt ist.

 

Das rezessiv wirkende Allel kann diesen Ausfall des Proteins nicht kompensieren; als Folge kommt es zu einer Störung z. B. des Stoffwechsels der Nervenzelle und zur Ausprägung einer Krankheit, wie wir es von den dominanten Ataxieformen her kennen.

 

Bei dem autosomal-dominanten Erbgang reicht es also aus, dass lediglich eines der beiden Allele eines Chromosomenpaares eine Mutation erfahren hat (Krankheitsallel), damit eine Krankheit auftritt.

 

Mischerbige (heterozygote) Träger eines dominanten Krankheitsallels, z. B. für die SCA1, werden also, eine entsprechende Lebensspanne vorausgesetzt, irgendwann im Laufe ihres Lebens eine Ataxie bekommen.

 

Da bei der Reifung der Geschlechtszellen (Ei- und Samenzellen) jeweils die Hälfte der Chromosomen in diese Geschlechtszellen gelangt (also nur 23 einzelne Chromosomen), können Ei- oder Samenzelle mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % wiederum das Krankheitsallel erhalten. Wenn diese Krankheitsallel-tragende Geschlechtszelle zur Befruchtung gelangt, kommt vom Partner meist ein Normalallel hinzu.

 

Aufgrund der Dominanz des Krankheitsallels führt es wieder zur Entstehung der Krankheit bei den Kindern. Nach dem Mendelschen Spaltungsverhältnis beträgt die Wahrscheinlichkeit für die Kinder eines Ataxie-Betroffenen, bei dem eine dominante Ataxie vorliegt, 50 %, wiederum Träger des Krankheitsallels zu sein.

 

Diese Kinder werden als „Risikopersonen“ bezeichnet (aus dem Englischen: person at risk) und geben das Krankheitsallel, wiederum mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 %, an ihre Kinder weiter, die ebenfalls wieder als Risikopersonen, diesmal jedoch mit einer 25 %igen Erkrankungswahrscheinlichkeit, bezeichnet werden.

 

Erkrankt ihr Elternteil an der dominanten Ataxie, steigt ihre eigene Erkrankungswahrscheinlichkeit auf 50 %; ist bei ihrem Elternteil mittels molekulargenetischer Methoden das Krankheitsallel nicht nachgewiesen worden, sinkt ihre eigene Wahrscheinlichkeit für diese Ataxie auf 0 %. Sie können also nicht von ihren Eltern erben, was diese nicht besitzen: in diesem Fall das Allel für eine dominante Ataxie. Da der Begriff „Risikoperson“ mehrdeutig ist und diskriminierend wirken kann, sollte besser von „Ataxie-gefährdeten Personen“ gesprochen werden.

 

Bei der Analyse eines Familienstammbaumes lässt sich im Idealfall nachweisen, dass in jeder Generation Ataxie-Betroffene auftreten und dass eine Ataxie nur dann wieder bei einem Nachkommen auftritt, wenn auch ein Elternteil erkrankt war oder ist.

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